Auf die Idee war Keller 1948 gekommen, als er in einer Zeitungsmeldung von einem Jubiläumsgottesdienst in Österreich las, bei dem "Stille Nacht..." in fünf Sprache vorgetragen wurde. Keller schrieb nach Salzburg, warum das Lied nicht auch in anderen Sprachen gesungen worden war und erhielt die Antwort, daß es wohl keine anderen Übersetzungen gebe. Da wurde in dem ohnehin sprachinteressierten Geistlichen der Detektiv wach. Er schrieb zunächst an Missionsstationen und Pfarrämter in aller Welt, später auch an deutsche Botschaften und Konsulate. Oft kam die Antwort spät, etwa weil der Kardinal von den Philippinen erstmal nach einem deutschsprachigen Missionar suchte. Als ausgesprochen fruchtbar erwies sich die Hilfe eines Pfarres auf Samoa, denn wegen der vielen Sprachen in der Südsee kam einiges an "Stille Nacht"-Versionen zusammen. Auch die Indianerstämme in Südamerika sorgen bis heute für neue Lied-Übersetzungen.
"Ja, ich bekomme heute noch besonders um die Weihnachtszeit Briefe und Anrufe aus aller Welt", freut sich der inzwischen gebrechliche alte Herr, dessen Augen allerdings noch munter funkeln. Der Bundesverdienstkreuzträger, der sich auch einen Namen als Naturforscher und Paläontologe gemacht hat, wartet jetzt auf einen Platz im Altenheim. Im Pfarrhaus von Ippingen sieht es nach über 45jähriger Priestertätigkeit nach Aufbruch aus. Es stapeln sich Berge von Büchern und Notizblättern, überall stehen Kisten mit Versteinerungen herum, die in verschiedene Museen kommen werden. Die Zettel mit den fein säuberlich aufgeschriebenen Übersetzungen von "Stille Nacht, Heilige Nacht" wird Pfarrer Keller aber aus seinem Safe mit ins Altenheim nehmen. "Solange ich am Leben bleibe, werde ich weiter sammeln", sagt er, und dabei geht ein Lächeln über das Gesicht des 85 jährigen Geistlichen.
Submitted by: Frank Petersohn